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Mit der Laute im Gepäck

Wassim Miqdad

Von Fady Jomar

Der Musiker und Arzt Wassim Mukdad wurde im Jahr 1985 in Leipzig geboren. An die vier Jahre, die er dort verlebte, kann er sich nicht erinnern. Nach der Wiedervereinigung ging seine Familie nach Syrien zurück, wo er begann, Oud zu spielen (eine Kurzhalslaute, die vor allem in den arabischen Ländern, in der Türkei und im Iran verbreitetet ist; AdR), und später Medizin studierte. Heute ist Mukdad als Flüchtling in sein Geburtsland zurückgekehrt, um einem Krieg zu entkommen, der ihm alle Türen vor der Nase zugeschlagen hat.

Bis zur Abriegelung von Al Yarmouk, einem Flüchtlingslager für Palästinenser in Damaskus, arbeitete er dort ehrenamtlich als Arzt. Anschließend wurde er vom Regime von Baschar Al Assad und von der Al Nusra Front inhaftiert.  Seine Energie als Musiker, Arzt und junger Mann, der von einem freien Heimatland träumte, war zu diesem Zeitpunkt bereits verbraucht. Gemeinsam mit seiner Frau, der Perkussionistin Berivan Ahmad, floh Mukdad in die Türkei, wo er zwei Jahre verbrachte. Als Oud-Spieler war er Teil verschiedener Gruppen und komponierte Musikstücke für seine türkisch-syrische Band Saba Barada. Nach einer harten Reise, die fast zwei Monate dauerte, kam Mukdad schließlich in Deutschland an. Nun lebt er in Berlin und wartet auf eine Aufenthaltserlaubnis, um sein Leben und sein Studium fortzuführen.  Abwab hat mit Wassim Mukdad über seine Erfahrungen und Träume, über die Hindernisse auf dem Weg in ein neues Leben und über seine Hoffnungen gesprochen.

Wie erlebst du Deutschland, das für dich nicht nur eine Zuflucht, sondern auch dein Geburtsland ist?  

Zuerst einmal erlebe ich es zweigeteilt: als Flüchtling und als Musiker. Als Flüchtling sehe ich Deutschland als eine Zuflucht, als offene Gesellschaft, die Fremde willkommen heißen und integrieren will. Wir als Syrer kennen aber keinen Rechtsstaat und haben deshalb große Probleme mit der komplizierten Bürokratie hier. Hinzu kommt, dass wir viele unserer persönlichen Dokumente während des Krieges und auf der Flucht verloren haben, was noch mehr Schwierigkeiten schafft. Doch ich habe gesehen, dass die deutschen Behörden versuchen, diese Probleme zu lösen.

Als Musiker kann ich vor allem über Berlin reden. Berlin ist eine Weltstadt, in der zahlreiche Kulturen zusammenleben, kaum vergleichbar mit einem anderen Ort auf der Welt. Das gilt vor allem für die Kultureinrichtungen, Traditionen, Restaurants und Kulturveranstaltungen. Berlin ist ein fruchtbarer Boden für alle, die im kreativen Bereich tätig sein wollen, und erweitert ihrer aller Horizont. Berlin ist ein wahrer Schmelztiegel. Die Stadt ist sehr fortschrittlich in ihrer kulturellen Infrastruktur, was eine große Rolle spielt. Doch das lange Warten, um die notwendigen Studien- und Arbeitsgenehmigungen zu erhalten, hindert einen auch daran, etwas zu leisten. Meiner Meinung nach ist Berlin eine Stadt mit einer Zukunft, die besser ist als die Gegenwart. Ich gebe mir große Mühe, eine Wohnung am Stadtrand zu ergattern, und bin zuversichtlich, dass ich hier in Zukunft den richtigen Platz für mich finden kann.

Nach deiner Ankunft in Deutschland hast du sofort angefangen, Konzerte zu geben. Wo bist du aufgetreten?

Schon vier Tage nach meiner Ankunft in Deutschland bin ich am 11. Juni mit meiner Frau Berivan Ahmad in Augsburg aufgetreten. Darauf folgten zwei Veranstaltungen am 09. und 15. Juli in Berlin.

Was ist dein wichtigstes Ziel im Moment?

Zunächst muss ich so schnell wie möglich die deutsche Sprache lernen, um mein Musikstudium fortzuführen. Bereits vor meiner Abreise aus der Türkei habe ich mich über Universitäten und Musikhochschulen in Deutschland informiert, von denen es hier sehr viele gibt. Die fehlenden Papiere bereiten mir im Moment aber noch große Probleme.

In Syrien und der Türkei hast du ein Kunstprojekt entwickelt. Siehst du dafür eine Zukunft in Deutschland?

Die Musik ist eine Sprache, die alle Grenzen, Sprachen und Kulturen überwindet. Ich werde meine Arbeit als Komponist fortführen und versuche, meine eigenen Stücke zusammen mit Musikern in Deutschland und ganz Europa aufzunehmen. In den nächsten Monaten werde ich als Musiker an der Oper Mediterraneo mitwirken, die bald auf einer Berliner Bühne aufgeführt wird. Außerdem arbeite ich mit dem syrischen Dichter Fady Jomar an einem Musiktheaterstück über die erste Hälfte des 20. Jh.s in der arabischen Welt, insbesondere in Ägypten. Es geht dabei um Musik, Gesang und deren Einflüsse auf soziale und politische Entwicklungen.

In Syrien hast du auch mit geflüchteten Kindern gearbeitet. Kannst du das hier in Deutschland fortführen?

Die Musik hat mir sehr bei der Arbeit mit psychisch belasteten Flüchtlingskindern geholfen. Eine der wichtigsten Methoden ist der Chorgesang. Im Jahr 2010 habe ich angefangen, irakische Flüchtlingskinder im Rahmen von Programmen von UNICEF und des syrischen Roten Halbmonds zu unterstützen. Als Weiterentwicklung dieser Idee habe ich anschließend in Zusammenarbeit mit der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Reguees (UNRWA) einen palästinensischen Kinderchor gegründet. Nach Beginn der syrischen Revolution und deren Übergang in einen Bürgerkrieg habe ich mit dem Danish Refugee Council (DRC) ein drittes Programm für syrische Kinder entwickelt. Danach habe ich im Flüchtlingslager Al Yarmouk ehrenamtlich als Arzt gearbeitet. Dieses Projekt würde ich gerne in Berlin weiterführen, um Flüchtlingskindern zu helfen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Zum Beispiel durch die Gründung eines Chors für geflüchtete und deutsche Kinder. Die Musik dient dabei dazu, die verschiedenen Kulturen kennenzulernen und Brücken zu schlagen.

Du hast Erfahrungen mit türkischen und europäischen Musikern gemacht. Welche Unterschiede hast du festgestellt?

Die Lage der syrischen Flüchtlinge und insbesondere der Künstler unter ihnen unterscheidet sich stark je nach Land, das sie als Asylsuchende aufnimmt. In Ländern wie der Türkei gibt es mehr Gemeinsamkeiten, auf denen man aufbauen kann. In Deutschland und in Europa im Allgemeinen ist die Lage vollkommen anders. Die Gesellschaft hier ist anders und hat andere Werte. Die Zahl der Gemeinsamkeiten ist also eher gering. Daher ist es notwendig, seinen Horizont zu erweitern und sich für sein Gegenüber zu öffnen, um eine gemeinsame Basis für die musikalische Arbeit zu finden. Bis jetzt wurden geflüchtete Musiker vor allem dadurch gehemmt, dass es ihnen nicht gelungen ist, den richtigen Punkt zu finden, um traditionelle mit moderner Musik zu verbinden. Ich bin aber überzeugt, dass wir das mit der Zeit schaffen werden. Auch engere Kontakte zwischen geflüchteten und deutschen Musikern und eine weitergehende Öffnung werden ihren Teil dazu beitragen. Ich bin mir sicher, dass das Selbstbewusstsein und die Begabung unter geflüchteten Musikern dafür vorhanden sind.

*syrischer Dichter

Goethe-Institut: Damaskus im Exil

سوريون يبدعون مشاريعهم الموسيقية في برلين

Die Stimme der Exilliteratur