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EXILLITERATUR: Von der Unschuld des Massengrabs

Von Lilian Pithan

Sprechende Massengräber, abservierte Superhelden und himmelblaue, durchlöcherte Unterhemden: Der neue Band des Lyrikers Hamed Abboud, der unter dem Titel Der Tod backt einen Geburtstagskuchen in der Schweizer edition pudelundpinscher erschienen ist, wimmelt nur so von schrägen Bildern. Abboud, 1987 im syrischen Deir ez-Zor geboren, lebt mittlerweile in Österreich. Von seinen ersten Wochen im Burgenland erzählt er in dem Text „Was wurde aus den Zugvögeln?“, der Szenen aus dem örtlichen Kiosk mit Reflexionen über geografische Entfernungen und Längenverhältnisse vermischt. Das Dorf, das zur neuen Heimat geworden ist, liegt nicht etwa am Ende der Welt, sondern „noch drei Meilen weiter“. Nur die Zugvögel dürfen hier ohne Registrierung oder Sozialversicherungsnummer die Grenzen überqueren, während der Kioskbesitzer einen Geflüchteten, der des Deutschen nicht mächtig ist, kurzerhand vor die Tür setzt.

In Der Tod backt einen Geburtstagskuchen hat Hamed Abboud diesen und 15 weitere Texte gesammelt, deren arabische Originale ebenfalls in der Ausgabe enthalten sind. Einige von ihnen, wie z.B. „Ich, das alte Mädchen Massengrab“, schaffen vielschichtige Bild- und Bedeutungsebenen, die konventionelle Metaphern neu beleben und die Reflexion über den Tod mit aktuellen, politischen Ereignissen verbinden. Das Massengrab, das wie eine alte Jungfer auf seinen Toten sitzt, fantasiert tagsüber davon, sich seine „hölzernen Zöpfe“ rauben zu lassen und endlich seine vermeintliche Unschuld zu verlieren. Des nachts jedoch träumt es von Fassbomben und anonymen Toten in versiegelten Metallkästen, lässt jedoch unbewusst die Erkenntnis zu, seine Unschuld schon längst verloren zu haben.

Andere Texte wirken eher wie Tagebucheinträge, in denen der Autor ganz persönliche Erinnerungen aus Syrien seinen Erlebnissen in der neuen Heimat gegenüberstellt. Die Existenz als Flüchtling in Europa kommt hier ebenso zur Sprache wie der Umgang mit dem anhaltenden Grauen im eigenen Heimatland. In diesem Zusammenhang tritt das durchlöcherte Unterhemd auf, ebenso wie eine Schale gelblichen Joghurts mit Knoblauch und ein Familienbrandzeichen, das wegen der Distanz zwischen Heimat- und Exilland keines mehr ist.

Der schmale zweisprachige Band, der von der edition pudelundpinscher mit einzelnen Illustrationen in Schwarz und Weiß wunderschön gestaltet worden ist, schaffte es im Mai auf die Shortlist des 9. Internationalen Literaturpreises des Berliner Hauses der Kulturen der Welt. Das Thema dieses Jahres waren „akute Gegenwarten im Blick des Spezifischen“. Gewonnen hat den Preis schließlich der kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila für seinen Roman Tram 83. Hamed Abbouds Buch hat aber trotzdem viel Aufmerksamkeit erregt. Der Autor liest mittlerweile regelmäßig in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Im letzten Monat war er als ehemaliger Jean-Jacques-Rousseau-Stipendiat in der Stuttgarter Akademie Schloss Solitude zu Gast, Anfang Juli kommt er nach Berlin.

Hamed Abboud: Der Tod back einen Geburtstagskuchen, übers. von Larissa Bender, pudelundpinscher, 152 Seiten, 19 Euro

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