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Der feministische März

*Aliaa Ahmad

Der März ist seit jeher Monat in dem sich das sanfte und aufbrausende Gemüt der Natur Ausdruck verschafft, ein Monat der Liebe und des Zorns. Im März triumphierte der sumerische Hirtengott Dumuzi über seine Feinde und ließ die Fruchtbarkeit zurückkehren, und auch Kaveh, der Schmied, entzündete das Feuer der Revolution gegen den Tyrannen in diesem Monat. Die bunten Lieder der Kurden wurden im März angestimmt, und Frauen trugen Brot und Rosen in den Händen, als sie auf die Straße gingen, um für das Leben zu kämpfen. Nicht zuletzt zu nennen ist der syrische Schrei nach Freiheit zu nennen, der zuerst im März erklang, der Traum von einer Revolution, die, in Blut getränkt, zum Albtraum wurde.

In Syrien

In Syrien war uns die Bedeutung des 8. März zunächst vor allem als Jahrestag des blutigen Staatsstreichs vom Jahr 1963 bekannt. Als Kinder wurden wir an diesem Tag, in Militärhose gekleidet, gezwungen “dem Aufbau und der Verteidigung der vereinten sozialistischen arabischen Gemeinschaft” Treue zu schwören. Im März feierten wir den Tag der Lehrer und den Muttertag, den das Assad-Regime auf Nouruz gelegt hatte, bestrebt das kurdische Festtagsfeuer zum Erlöschen zu bringen. Mit den Jahren würden auch wir über den internationalen Frauentag erfahren, jedoch machte der “Allgemeine Frauenverband Syriens” ihn zu einem Tag, der, wie der Verband selbst, dürftig ausfiel. 

In Europa

In Europa haben geflüchtete Frauen einen anderen, neuen März erlebt. Der migrantische März hier feiert die Frau mit allen Intersektionalitäten: Als Frau, als Migrantin, als humanitäre und politische Geflüchtete, als Arbeiterin, als Feministin, als Kämpferin für die eigenen Rechte, als Mensch, der bestrebt ist, sich Ausdruck zu verschaffen, als mutige und freie Seele, die den Sisiphusbrocken endlich abwerfen will, den Stein, der sie seit der Flucht begleitet, der ihre Schritte schwerer macht, um schließlich ihre eigene Identität zu bilden, um wieder sagen zu können, hier, da bin ich wieder.

In Deutschland

In Deutschland und in weiten Teilen der Welt tragen Frauen diesen März aufs Neue Brot und Rosen hinaus auf die Straßen, erheben ihre Stimmen in Hunderten von Städten, streiken und demonstrieren gegen eklatante Ungerechtigkeit, gegen die Gewalt, die ihnen immer mehr widerfährt. Jeder technischen Neuerung scheint ein Leitfaden zur frauenfeindlichen Anwendung beigefügt zu sein. Freie Frauen, die sich aus den Trümmern aufrichten und die Stimme erheben, erleben im Internet Gewalt und Hetze.

Diese Freiheit wird von all den Männern angegriffen, denen sie Angst einjagt, da sie in die triumphierenden Frau ein Abbild ihrer Unzulänglichkeit und ihres Versagens hineinprojizieren. Sie streiten und bekämpfen sich untereinander in allen Dingen, aber der Frauenhass eint sie. Sie rotten sich zusammen, gegen die Frau, um sich ihre “Männlichkeit” zu bewahren. Eine leere Männlichkeit ist das, die Weigerung anzuerkennen, dass die Stärke der Frau die Familie stark macht und die Gesellschaft in ihren Grundfesten stabilisiert.

Heute sind neue, innovative Feminismen entstanden. Leider bleiben sie in unterschiedlichen theoretischen Ausrichtungen verhangen und zerstückelt, wobei die Wertschätzung der Anderen und eine gemeinsame Linie fehlt. Trotzdem leben die Geschichten vom März weiter, Jahr um Jahr. Sie sind der Beweis für die Kraft des fruchtbaren Mutterschoßes, der, zur Selbstheilung fähig, Hoffnung streut, um die Erde mit Liebe und Frieden zu nähren.

*Aliaa Ahmad. Soziologin und Frauentrainerin

Übersetzung: Serra Al-Deen, Mahara-Kollektiv, aldeen@mahara-kollektiv.de

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