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Geflüchtete und der Kreisel des Generalverdachts

Souad Abbas

In jeder Gesellschaft werden Verbrechen begangen. Das Ausmaß der Verbrechen unterscheidet sich in Abhängigkeit von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren: Tausende Studien im Bereich des Rechts, der Kultur- und Politikwissenschaft und in der Medizin wurden dazu durchgeführt. Trotzdem bleibt da die menschliche Neigung sich gedanklich in Kategorien zu begeben und Urteile auf Basis von Vorurteilen, individuellen Erfahrungen und Ängsten zu fällen. Dementsprechend werden Menschen beschuldigt, sowohl auf persönlicher, als auch auf kollektiver Ebene. So erleben wir es gerade in Deutschland: Medien und Politik haben Kriminalität zu einem Phänomen gemacht und instrumentalisieren Straftäter/Geflüchtete um politische Ziele zu erreichen. Dabei werden kollektive Strafen erwirkt, die sich auf die gesamte Gruppe beziehen, denen der Straftäter/Geflüchtete angehört.

Es scheint als haben die Ereignisse der Kölner Silvesternacht 2016 dazu geführt, dass die Stimmung kippte und Geflüchtete nicht länger verherrlicht und stattdessen dämonisiert wurden. Seit den zahlreichen sexuellen Übergriffen in dieser Nacht, begann der Kreisel des Generalverdachts sich zu drehen und eine gesamte Gruppe von Menschen wurde zu Tätern. Dabei wird ausgeblendet, dass es dieselbe gesellschaftliche Gruppe, die sogenannte “Gesellschaft der Geflüchteten” war, die sich zuallererst von den begangenen Verbrechen distanzierte.

Aus Unwissenheit und Xenophobie lässt sich so manch einer dazu hinreißen den Anderen, oder das Fremde als “triebgesteuert” abzustempeln. Gefährlich wird es aber dann, wenn diese Anschuldigung in Politik, Medien und in der Bevölkerung salonfähig wird, wenn voreilige Kriminalisierung sich etabliert und das in einer Gesellschaft, die sich als offen präsentiert. Aus diesem Grund ist es wichtig auf das hinzuweisen, was die “Gesellschaft der Geflüchteten” durchlebt, wann immer eine Straftat begangen wird. Es ist ein Gefühl der Machtlosigkeit, unter dem Druck des direkten Rassismus zu stehen, der entsteht, wenn eine organische Verbindung zwischen Kriminalität und Asyl gezogen wird. Entsprechende Konsequenzen müssen Geflüchtete auf politischer und gesetzlicher Ebene tragen. Dasselbe gilt für den Rassismus, der sich hinter vorgetäuschter Toleranz und Offenheit verbirgt. Hierbei werden Geflüchteten dieselben Anschuldigungen gemacht, jedoch werden Versuche unternommen, Straftaten zu legitimieren, mit dem Argument Geflüchtete seien aus kriegszerrütteten Ländern gekommen, sie würden andere Traditionen hochhalten und einer anderen Kultur entstammen. Dies bestärkt den Hang mancher Geflüchteter zur Selbstgeißelung. Sie fühlen sich der westlichen Überlegenheit in Zivilisation und Errungenschaften  entgegengesetzt, was ein Gefühl der Schuld aufkommen lässt, entsprechende Faktoren selbst nicht aufweisen zu können.

Geflüchtete als kriminell abzustempeln ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schlicht und einfach rassistisch. Letztlich geht es nicht anders; Kriminelle müssen als Einzelpersonen dem Gesetz entsprechend bestraft werden, jeder Einzelne von ihnen als Mensch, der für sich selbst steht und dabei dürfen der Gruppe, der er angehört, die Konsequenzen seiner Taten nicht angelastet werden.

Übersetzung: Serra Al-Deen, Mahara-Kollektiv, aldeen@mahara-kollektiv.de

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