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Filme für mehr Menschlichkeit

Von Lilian Pithan

Menschenrechte eignen sich wie kaum ein anderes Thema, engagierte und eindrucksvolle Filme zu schaffen. Ob Indonesien oder Mali, ob Fiktion oder Dokumentation: Menschenrechtsverletzungen lassen sich in jedem Land und auf jede künstlerische Art und Weise aufdecken. Eine besonders schöne Auswahl an Filmen, die sich mit der Verletzung, aber auch der Verteidigung der Menschenrechte befassen, wurde in diesem Monat beim Human Rights Film Festival in Zürich (7. bis 11. Dezember 2016) präsentiert. Die fünftägige Veranstaltung sei ein „Plädoyer für die Menschlichkeit und ein Versuch, durch die Kraft des Kinos den Widrigkeiten der Welt etwas entgegenzusetzen“, so Festivaldirektorin Sascha Lara Bleuler.

Diese Widrigkeiten, wie sie in den 20 Filmen des Festivalprogramms dargestellt wurden, reichten von Gewalt gegen Frauen in Indien über Raubbau an Natur und Menschen in China bis hin zu Folter und Ermordung politischer Gefangener in Syrien. Geschichten aus Afghanistan, Kolumbien und Nordkorea durften ebenfalls nicht fehlen. Dass der Eröffnungsfilm, Divines (2016) von Houda Benyamina, aus Frankreich kam, war ein interessanter Akzent im sonst mehrheitlich außereuropäischen Programm. Die Kurzfilmreihe The Visibility of Human Rights Violations lenkte den Blick ebenfalls auf Europa, insbesondere auf dessen Umgang mit Geflüchteten im Mittelmeerraum und innerhalb der eigenen Staatsgrenzen.  

An schwierigen Themen fehlte es beim HRFF also nicht und die Diskussionen im Anschluss an die Filme waren mehr als einmal hitzig. Wir stellen unsere drei Festivalfavoriten vor.

divines

Divines von Houda Benyamina (Frankreich 2016)

Die Welt der ärmeren Pariser Vorstädte ist trist, vor allem dann, wenn man wie Dounia (Oulaya Amamra) so gut wie keine Chance hat, aus diesem Milieu auszubrechen. Zwischen dem örtlichen Café, das kaum mehr als ein Bretterverschlag ist, der Striptease-Bar, in der ihre Mutter arbeitet, und der Shopping Mall, in der sie die Nachmittage mit ihrer besten Freundin Maimouna (Déborah Lukumuena) verbringt, hat Dounia nur Aussicht auf einen drittklassigen Job. Sie will aber viel mehr: Geld, Erfolg und vor allem ein Cabrio. Als sie beginnt, für die Kleinkriminelle Rebecca (Jisca Kalvanda) zu dealen, öffnet sich Dounia plötzlich die Tür zu einer anderen Welt. Immer tiefer steigt sie in die Sphären des organisierten Drogenhandels herab. Gleichzeitig nimmt sie die Hürde des Périphérique, eben jener Autobahn, die das Zentrum von Paris von seinen Vorstädten trennt, und tanzt in den Clubs der Neureichen auf den Champs Élysées. Als ob das nicht schon genug Aufregung wäre, trifft sie auch noch den schönen Tänzer Djigui (Kevin Mischel), der wie sie seine Herkunft hinter sich lassen will. Und plötzlich muss sich Dounia entscheiden: zwischen Rebecca, ihrer Mutter, Djigui oder dem ganz großen Geld. Dass das nicht gut gehen kann, ist eigentlich schon von der ersten Filmszene an klar. Wie es Regisseurin Houda Benyamina trotzdem gelingt, das traurige Chaos in Dounias Leben immer wieder mit Komik und Leichtigkeit zu nehmen, sollte man auf jeden Fall gesehen haben. Vor dem Hintergrund der Pariser Vorstadtunruhen von 2005 und der seither ungelösten Probleme vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund, die als Franzosen noch immer nicht für voll genommen werden, ist Dounias Geschichte nicht nur tragisch, sondern auch exemplarisch.

Filmtrailer: https://www.youtube.com/watch?v=3zvlU85f3ho

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P.S. Jerusalem von Danae Elon (Kanada 2015)

Was tut man, wenn man schon Jahre im Exil lebt, der eigene Vater einem dieses Exil aus seiner politischen Überzeugung heraus auferlegt hat, man selbst die politische Legitimation des eigenen Heimatlandes nicht anerkennt, aber trotzdem eine beständige Sehnsucht nach den Stätten der eigenen Kindheit empfindet? Man geht zurück in ein zerrissenes Land und versucht, den politischen und emotionalen Faden der eigenen Herkunft wiederaufzunehmen. Im Falle der israelischen Filmemacherin Danae Elon ist diese Heimat Jerusalem. Für die Tochter des Schriftstellers und Journalisten Amos Elon, der vom glühenden Israelverteidiger zu einem der größten Kritiker des neuen Staats wurde, ist der Slogan „the personal is political“ seit jeher Realität. Nach vielen Jahren in New York kehrt sie mit ihrer Familie trotzdem und gegen den ausdrücklichen Wunsch ihres inzwischen verstorbenen Vaters nach Israel zurück. Während ihre beiden Söhne auf der einzigen jüdisch-palästinensischen Schule des Landes gleichzeitig die Staatsgründung Israels und die Nakba, die Vertreibung der Palästinenser 1948 aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina, nachspielen, geht Elon auf Demonstrationen gegen illegalen jüdischen Siedlungsbau und legt sich mit ihren ultra-orthodoxen Landsleuten an. Ihre Darstellung des eigenen Kampfes um einen Platz in ihrem Heimatland, das von Gewalt, Hass und Ungleichheit zerrissen wird, ist zutiefst persönlich. Immer wieder sucht Elon mit der Kamera die Gesichter ihrer zwei Söhne, die mit kindlicher Unschuld genau die richtigen Fragen stellen: Warum sind überall militärische Checkpoints? Warum darf man auf manchen Straßen kein Hebräisch, auf anderen kein Arabisch sprechen? Und warum verbrennen Menschen Olivenhaine? Fragen, auf die keiner der erwachsenen Protagonisten in P.S. Jerusalem befriedigende Antworten findet. Als die Verfahrenheit der politischen Lage beginnt, Elon und ihren Mann auseinanderzutreiben, wird der ihr Leben bestimmende Slogan plötzlich in sein Gegenteil verkehrt: „the political is personal“…

Filmtrailer: https://www.youtube.com/watch?v=HFqTVehJEyA

behemoth

Behemoth von Zhao Liang (China/Frankreich 2015)

Ein Mann stolpert planlos durch eine bläuliche Steinwüste. Auf dem Rücken trägt er einen Spiegel, in dem sich Himmel, Wolken und die spitzen Kanten der Steine um in her brechen. Immer wieder stößt er auf einen nackten Mann, der wie ein Embryo zusammengerollt vor dem Abgrund monströser Bergwerke liegt. Ab und an springt ein nacktes Kind aufgeregt über endlos scheinende, grüne Wiesen. Unterlegt sind diese Bilder mit mongolischem Kehlgesang und Zitaten aus Dantes Inferno. Der chinesische Regisseur Zhao Liang dokumentiert in Behemoth die lebensbedrohlichen Bedingungen, unter denen Wanderarbeiter in der Inneren Mongolei, einer von Chinas nördlichsten Provinzen, Rohstoffe für die rasant wachsende Industrie des Landes abbauen. Den Ruß, der ihre Haut bedeckt, können sie nur mit Gewalt abschrubben. Viele von ihnen leiden an Atemwegserkrankungen. Von massiven Umweltschäden durch den exzessiven Raubbau an der Natur ganz zu schweigen. Anstatt einen konventionellen Dokumentarfilm mit Erklärtexten und Interviewsequenzen zu schaffen, nähert Zhao sich seinem Thema auf lyrische Weise: Wunderschöne farbstarke Bilder, die teils gegeneinander geschnitten werden, kontrastieren mit der Poesie des Grausamen in Dantes Versepos. Keiner der Protagonisten lässt im Laufe des Films auch nur ein Wort fallen. Ihre von der Kohle schwarz gefärbten Gesichter, ihre geröteten Augen sind ausdrucksstark genug.

Filmtrailer: https://www.youtube.com/watch?v=kxmgCakyGH4

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