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Der Fluch des fremden Namens

Wie kann ich es akzeptieren, nach all den Jahren plötzlich mit einem neuen Namen gerufen zu werden? Mit diesem Problem sind viele Geflüchtete konfrontiert, die neu nach Europa gelangt sind. Ist es nicht schwierig genug, eine fremde Sprache, fremde Orte, eine unbekannte Kultur und Gebräuche zu erleben, ohne dass man auch noch fremde Namen und Familiennamen verpasst bekommt? Als wir ankamen und zum ersten Mal unsere Namen in lateinischen Buchstaben schreiben sollten, schrieben wir sie, wie sie auf Englisch ausgesprochen werden, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die Aussprache mancher Buchstaben sich im Englischen und Deutschen stark unterscheidet. Dadurch bekamen viele von uns neue Namen, mit denen wir nun leben müssen, solange wir hier sind.

So haben wir nicht nur unsere Heimat und unsere Identität verloren, sondern auch unsere Namen. Wir sind hier Geflüchtete in einer seltsamen Realität, in der man sich nicht dafür interessiert, wie viel Mühe sich unsere Eltern gegeben hatten, diese Namen auszuwählen. Als ob die ewigen Flüche, die unsere Namen tragen, nicht genug sind. Man erwartet von Said, dem Glücklichen, dass er immer lächelt, und von Hanan, der Liebevollen, dass sie in ihrem Herzen genug Raum hat, um noch einen weiteren Verlust zu ertragen!

Unsere Namen, die viel zu unserer Persönlichkeit beitragen, sind wie kleine Gefängnisse, an deren Grenzen wir gewöhnt sind. Aber die Fremde hat sie sich ähnlich werden lassen, weder stark noch schwach. Es bleibt nur eine große Verlorenheit und die Suche nach einem neuen Ich, das die Geschichte des neuen Namens erzählt.

Aus meinem Sohn Hamza wurde in der Schule und bei seinen Freunden „Hamtza“. Mein Mitschüler im Sprachkurs, ein gestandener Mann, wurde von Djouwdat zu „Yodat“. Die angesehene Familie Nadjar wurde zu „Nayar“ und der schöne junge Mann mit dem passenden Namen Wassim, der Gutaussehende, wurde kurzerhand zu „Vassim“. Also, keine Ausnahmen! Aala und Ala sind vor dem deutschen Gesetz gleich und werden auch gleich ausgesprochen. Die Bedeutungen der Namen füllen ganze Geschichten, für die der Raum nicht ausreichen würde, wollte ich sie erzählen. Ich will hier nur eine nennen: Bis heute erinnere ich mich daran, wie der deutsche Arzt, als ich für eine Schwangere in der Erstaufnahme dolmetschte, der Frau sagte, dass sie eine gesunde Tochter bekommen würde. Er fragte sie, wie sie das Mädchen nennen wolle, und sie sagte „Sham“ (der umgangssprachliche Name von Damaskus bzw. der Region, die Syrien, Libanon, Palästina und Jordanien einschließt, Anm. d. Red.). Der Arzt blickte sehr verwundert. Wenn man aber die Bedeutung des Wortes im Deutschen kennt, ist man über seine Reaktion nicht mehr verwundert.

Lasst mich von „Yudi Nayar“ erzählen, einem hübschen fünfjährigen Mädchen mit strahlenden Augen. Als ich sie zum ersten Mal traf und fragte: „Wie heißt du?“, da antwortete sie mir: „Yudi Nayar.“ „Mmmh“ sagte ich, „Nadjar ist also dein Familienname, aber dein Vorname?“ Sie antwortete: „Djoudi.“ Dann fügte sie schnell hinzu: „Aber hier nennen mich alle Yudi.“ Ich nahm ihre kleine Hand, küsste sie auf die Wange und sagte zu ihr: „Gib deinen Namen nicht auf. Dein Name ist Djoudi, sie können ihn hier nur nicht aussprechen“. Leider verlieren die Namen in der Fremde ihre ursprüngliche Bedeutung. Das ist manchmal so ironisch wie der Fall eines Atheisten, dem das Schicksal den Namen Abdallah, also „Diener Gottes“, gegeben hat. Ich lachte, als ich mich an den Satz erinnerte, den wir als Kinder in Poesiealben schrieben: „Hoffentlich bleiben wir immer Freunde, so wie unsere Namen bleiben, und es soll sich nichts daran ändern.“ Auch Sikra, die berühmte tunesische Sängerin, wusste nicht, dass sich unter dem Vorwand der Integration alles ändern kann, als sie sang: „Die Namen bleiben, nur die Herzen haben sich geändert.“

Erinnert ihr euch an Djoudi? Ich traf sie das nächste Mal im Jobcenter, wo sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester wartete. Nach ein paar Minuten wurde ihr Name gerufen: „Yudi Nayar.“ Djoudi kam in dem Moment ganz ruhig auf mich zu, küsste mich und sagte: „Mein Name ist Djoudi, sie können ihn hier nur nicht aussprechen.“

Diese Artikelserie wird in Kooperation mit WDRforyou übersetzt und veröffentlicht.

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